Sanfter Tourismus -
Der etwas andere Urlaub
Die Sommerferien stehen vor der Tür, und Sommerzeit
ist bekanntlich Reisezeit. Koffer packen, ins Auto oder in den Flieger
gesetzt und ab in den Süden. Aber halt, da war doch noch etwas
....
Die nicht enden wollende Blechlawine, ein Auto am anderen, Stress im
Stau, Lärm und Schmutz. Verpestete Umwelt. Auch Flugzeuge verschmutzen
die Luft. Man ist genervt, wenn man ankommt und braucht wirklich Urlaub,
schon um sich von der Fahrt zu erholen. Urlaub in Hotelghettos, die
eigentlich niemand schön findet. Verschandelte Landschaft. Um viele
Menschen auf engstem Raum unterzubringen, wird gnadenlos betoniert und
gebaut. Der Tourist als Wirtschaftsfaktor. Massenabfertigung im großen
Stil, unmöglich, Land und Leute kennenzulernen.
Menschen verursachen Müll, der nicht überall so gewissenhaft
entsorgt wird, wie man es zu hause gewohnt ist. Viele Menschen an einem
Ort verursachen viel Müll, - logisch.
Verschmutzte Strände und belastetes Gewässer sind die Folge.
Jahr für Jahr hören wir Meldungen über Algenpest, - doch
was soll das Gejammere, schließlich ist der Urlaub die schönste
Zeit des Jahres, da hat auch das Umweltbewußtsein zwei oder drei
Wochen Pause, oder? Apropos schönste Zeit des Jahres, wem ist es
noch nicht passiert, daß sich nach ein paar Tagen am Urlaubsort
gräßliche Langeweile ausgebreitet hat, weil man einfach nicht
mehr wußte, was man dort anfangen soll? Oder daß man sich
mit seinen Mitreisenden, seien es Freunde oder Familie, in die Haare
gekriegt hat, weil doch jeder seine eigenen Vorstellungen von Urlaub
hatte, und vorher nicht darüber geredet wurde? Trotz allem,- Jahr
für Jahr rollt die Blechkarawane in den Süden und der Tourist
tut so, als ginge ihn das alles nichts an. Urlaub um jeden Preis? Das
muß nicht so sein. Wie wäre es denn mit Urlaub, der genau
so ist, wie man es sich vorstellt? Urlaub, der individuell gestaltet
ist? So verreisen, daß die Umwelt geschont wird, daß man
Land und Leute kennenlernt und nicht belastet ? Urlaub der Spaß
macht und nicht streßt, - ein echtes Erlebnis ohne schlechte Folgen
für die Natur und die Bevölkerung vor Ort. Ist das überhaupt
möglich im Zeitalter des Massentourismus, wird jetzt so mancher
fragen. Das Zauberwort heißt “Sanfter Tourismus”,
- ein Begriff für eine Art von Urlaub, die immer mehr Anhänger
findet. “Sanfter Tourismus” steht, im Gegensatz zum “harten
Tourismus”, für eine Form des Verreisens, die umweltverträglich
ist, Massenbetriebe meidet und nicht störend in fremde Landschaften
und Kulturen eingreift. “Sanfter Tourismus” steht aber auch
für individuelles Urlaubsvergnügen.
Was aber bedeutet das in der Praxis? Fangen wir mit der Anreise an.
Jeder weiß, daß Autos und Flugzeuge Dreck und Lärm
machen, kein Mensch beginnt seinen Urlaub gerne im Stau. Warum also
nicht Urlaub mit Bus und Bahn, oder auch einmal einfach mit dem Fahrrad,
- Fortbewegungsmittel, die gerade für Jugendliche in Frage kommen.
Damit kommt man aber nicht weit, werden Kritiker sagen. Wobei wir beim
nächsten Punkt der individuellen Urlaubsplanung im Sinne des “sanften
Tourismus” angelangt wären: der Frage, was man von seinem
Urlaub erwartet. Man möchte ausspannen und abschalten, den Alltag
vergessen. Endlich einmal Zeit für spontane Entscheidungen haben,
etwas Neues erleben, die Natur genießen. Sport treiben, ein neues
Hobby oder eine Sprache erlernen, Land und Leute kennenlernen sind weitere
Motive für eine geplante Urlaubsreise. Hat man erst einmal herausgefunden,
was man sich vom Urlaub erwartet, fällt die Wahl des Urlaubsziels
viel leichter. Es muß nicht immer die Fernreise sein, die den
erwünschten Urlaubsspaß bringt, auch das Erkunden der heimischen
Umgebung mit dem Rad ist interessant. Möglichst weit weg zu fahren
ist keine Garantie für Urlaubsvergnügen, auch dann nicht,
wenn das Reiseziel gerade “in” ist. Individuellen Wünsche
bleiben häufig auf der Strecke, für spontane Entscheidungen
ist gerade an Orten des Massentourismus und der Massenaktivitäten
kein Platz. Freizeitstress statt Erholung ist die Folge. Der “sanfte
Tourist” plant seinen Urlaub gewissenhaft und weiß, welche
Aktivitäten er im Urlaub ausüben möchte. Der “sanfte
Tourist” achtet darauf, daß die Unterbringung nicht in einem
landschaftsfressenden Betonbunker stattfindet, sondern in regionaltypischen
Pensionen, Hotels oder einer Jugendherberge. Große Anlagen verbrauchen
Landschaft, nicht nur der Hotelbau selbst, sondern auch Infrastruktur
und Sport- und Freizeitanlagen. Der “sanfte Tourist” informiert
sich, wie am Urlaubsziel Müll und Abwässer entsorgt oder besser
noch, vermieden werden. Das beginnt bei Einwegverpackungen für
Frühstücksmarmelade bis hin zu veträglichen Putzmitteln
vor Ort. Zu hause macht man sich darüber schließlich auch
Gedanken. Der “sanfte Tourist” nimmt Rücksicht auf
die einheimische Bevölkerung. Er paßt sich dem Gastland an,
und erwartet nicht, daß sich die Leute vor Ort seinen Gewohnheiten
anpassen. Nicht überall wird deutsch gesprochen, doch das erwartet
der “sanfte Tourist” auch gar nicht. Er versucht gegebenfalls
ein paar Brocken der Landessprache zu lernen um sich zu recht zu finden.Oder
wie wäre es denn mit einer Sprachreise? Der”sanfte Tourist”
erwartet für seine Verpflegung keine deutschen Speiseangebote,
er ist neugierig auf die regionale Küche vor Ort. Der “sanfte
Tourist” weiß, daß er nur Gast ist, und benimmt sich
entsprechend. Natürlich ist Tourismus immer auch ein Wirtschaftszweig,
doch der ”sanfte Tourist” achtet darauf, daß wirklich
die Einheimischen beispielsweise durch angemessene Arbeitsplätze
profitieren, und nicht bloß ein ausländischer Investor. Für
den ”sanften Touristen” ist es selbstverständlich,
sich an gewisse Grundregeln zu halten. Er beachtet auch bei Sport und
Spiel Hinweise zum Tier- und Landschaftsschutz. Der sanfte Tourist bleibt
auf Rad- und Wanderwegen und dringt nicht in verbotene Zonen vor, in
denen Pflanzen- und Tiere geschützt werden. Kurz, der “sanfte
Tourist” meidet die Urlaubsorte, die sich nicht um Umwelt und
Kultur kümmern. Aber wo soll ich denn hinfahren und was kostet
“sanfter Tourismus”, wird jetzt so mancher jammern. Doch
dem kann geholfen werden.Zahlreiche Organisationen helfen weiter, man
muß sich nur informieren. Auch Reiseveranstalter haben immer häufiger
entsprechende Angebote, die auch für Jugendliche interessant sind.
“Sanfter Tourismus” ist nicht teurer als “harter”
Massentourismus. Wer mit der Bahn fährt und in der Jugenherberge
oder einer ähnlichen Unterkunft nächtigt, zahlt weniger wie
für die Flugreise in eine Touristenhochburg. Überhaupt ist
Information das oberste Gebot für den “sanften Touristen”.
Ohne Bescheid zu wissen, was in einem Urlaubsziel in Sachen Umweltschutz
getan wird, läuft gar nichts. Eine sorgfältige Urlaubsplanung
ist absolutes Muß, und schließlich macht es Spaß,
sich schon ein paar Wochen vorher mit der Reise zu beschäftigen.
Planen, Informieren, wissen, welche Freizeitangebote es vor Ort gibt,
welche Ausflüge man unternehmen kann, vom Urlaub träumen,-
das ist schon das halbe Vergnügen.Vor Ort schließlich bleibt
jede Langeweile aus, man hat schließlich voraus geplant, und weiß
was man will. Und zu guter letzt bleibt das gute Gefühl, auch im
Zeitalter des Massentourismus nicht noch mehr Natur und Landschaft geschädigt
zu haben.
Ute Izykowski
Die Glocke, 7/97
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