Zeitschriftenartikel

 

Mythos Star Trek; 3/96; 4/96
Amnesty International; 7/96
Tatoos; 10/96
Piercing; 2/97
Anthroposophie; 3/97
Sanfter Tourismus; 7/97
Loveparade; 8/97
Beatles; 8/97, 9/97
Documenta X; 9/97
Krieg im Kinderzimmer; 2/98


Sanfter Tourismus -
Der etwas andere Urlaub
Die Sommerferien stehen vor der Tür, und Sommerzeit ist bekanntlich Reisezeit. Koffer packen, ins Auto oder in den Flieger gesetzt und ab in den Süden. Aber halt, da war doch noch etwas ....

Die nicht enden wollende Blechlawine, ein Auto am anderen, Stress im Stau, Lärm und Schmutz. Verpestete Umwelt. Auch Flugzeuge verschmutzen die Luft. Man ist genervt, wenn man ankommt und braucht wirklich Urlaub, schon um sich von der Fahrt zu erholen. Urlaub in Hotelghettos, die eigentlich niemand schön findet. Verschandelte Landschaft. Um viele Menschen auf engstem Raum unterzubringen, wird gnadenlos betoniert und gebaut. Der Tourist als Wirtschaftsfaktor. Massenabfertigung im großen Stil, unmöglich, Land und Leute kennenzulernen.
Menschen verursachen Müll, der nicht überall so gewissenhaft entsorgt wird, wie man es zu hause gewohnt ist. Viele Menschen an einem Ort verursachen viel Müll, - logisch.
Verschmutzte Strände und belastetes Gewässer sind die Folge. Jahr für Jahr hören wir Meldungen über Algenpest, - doch was soll das Gejammere, schließlich ist der Urlaub die schönste Zeit des Jahres, da hat auch das Umweltbewußtsein zwei oder drei Wochen Pause, oder? Apropos schönste Zeit des Jahres, wem ist es noch nicht passiert, daß sich nach ein paar Tagen am Urlaubsort gräßliche Langeweile ausgebreitet hat, weil man einfach nicht mehr wußte, was man dort anfangen soll? Oder daß man sich mit seinen Mitreisenden, seien es Freunde oder Familie, in die Haare gekriegt hat, weil doch jeder seine eigenen Vorstellungen von Urlaub hatte, und vorher nicht darüber geredet wurde? Trotz allem,- Jahr für Jahr rollt die Blechkarawane in den Süden und der Tourist tut so, als ginge ihn das alles nichts an. Urlaub um jeden Preis? Das muß nicht so sein. Wie wäre es denn mit Urlaub, der genau so ist, wie man es sich vorstellt? Urlaub, der individuell gestaltet ist? So verreisen, daß die Umwelt geschont wird, daß man Land und Leute kennenlernt und nicht belastet ? Urlaub der Spaß macht und nicht streßt, - ein echtes Erlebnis ohne schlechte Folgen für die Natur und die Bevölkerung vor Ort. Ist das überhaupt möglich im Zeitalter des Massentourismus, wird jetzt so mancher fragen. Das Zauberwort heißt “Sanfter Tourismus”, - ein Begriff für eine Art von Urlaub, die immer mehr Anhänger findet. “Sanfter Tourismus” steht, im Gegensatz zum “harten Tourismus”, für eine Form des Verreisens, die umweltverträglich ist, Massenbetriebe meidet und nicht störend in fremde Landschaften und Kulturen eingreift. “Sanfter Tourismus” steht aber auch für individuelles Urlaubsvergnügen.
Was aber bedeutet das in der Praxis? Fangen wir mit der Anreise an. Jeder weiß, daß Autos und Flugzeuge Dreck und Lärm machen, kein Mensch beginnt seinen Urlaub gerne im Stau. Warum also nicht Urlaub mit Bus und Bahn, oder auch einmal einfach mit dem Fahrrad, - Fortbewegungsmittel, die gerade für Jugendliche in Frage kommen. Damit kommt man aber nicht weit, werden Kritiker sagen. Wobei wir beim nächsten Punkt der individuellen Urlaubsplanung im Sinne des “sanften Tourismus” angelangt wären: der Frage, was man von seinem Urlaub erwartet. Man möchte ausspannen und abschalten, den Alltag vergessen. Endlich einmal Zeit für spontane Entscheidungen haben, etwas Neues erleben, die Natur genießen. Sport treiben, ein neues Hobby oder eine Sprache erlernen, Land und Leute kennenlernen sind weitere Motive für eine geplante Urlaubsreise. Hat man erst einmal herausgefunden, was man sich vom Urlaub erwartet, fällt die Wahl des Urlaubsziels viel leichter. Es muß nicht immer die Fernreise sein, die den erwünschten Urlaubsspaß bringt, auch das Erkunden der heimischen Umgebung mit dem Rad ist interessant. Möglichst weit weg zu fahren ist keine Garantie für Urlaubsvergnügen, auch dann nicht, wenn das Reiseziel gerade “in” ist. Individuellen Wünsche bleiben häufig auf der Strecke, für spontane Entscheidungen ist gerade an Orten des Massentourismus und der Massenaktivitäten kein Platz. Freizeitstress statt Erholung ist die Folge. Der “sanfte Tourist” plant seinen Urlaub gewissenhaft und weiß, welche Aktivitäten er im Urlaub ausüben möchte. Der “sanfte Tourist” achtet darauf, daß die Unterbringung nicht in einem landschaftsfressenden Betonbunker stattfindet, sondern in regionaltypischen Pensionen, Hotels oder einer Jugendherberge. Große Anlagen verbrauchen Landschaft, nicht nur der Hotelbau selbst, sondern auch Infrastruktur und Sport- und Freizeitanlagen. Der “sanfte Tourist” informiert sich, wie am Urlaubsziel Müll und Abwässer entsorgt oder besser noch, vermieden werden. Das beginnt bei Einwegverpackungen für Frühstücksmarmelade bis hin zu veträglichen Putzmitteln vor Ort. Zu hause macht man sich darüber schließlich auch Gedanken. Der “sanfte Tourist” nimmt Rücksicht auf die einheimische Bevölkerung. Er paßt sich dem Gastland an, und erwartet nicht, daß sich die Leute vor Ort seinen Gewohnheiten anpassen. Nicht überall wird deutsch gesprochen, doch das erwartet der “sanfte Tourist” auch gar nicht. Er versucht gegebenfalls ein paar Brocken der Landessprache zu lernen um sich zu recht zu finden.Oder wie wäre es denn mit einer Sprachreise? Der”sanfte Tourist” erwartet für seine Verpflegung keine deutschen Speiseangebote, er ist neugierig auf die regionale Küche vor Ort. Der “sanfte Tourist” weiß, daß er nur Gast ist, und benimmt sich entsprechend. Natürlich ist Tourismus immer auch ein Wirtschaftszweig, doch der ”sanfte Tourist” achtet darauf, daß wirklich die Einheimischen beispielsweise durch angemessene Arbeitsplätze profitieren, und nicht bloß ein ausländischer Investor. Für den ”sanften Touristen” ist es selbstverständlich, sich an gewisse Grundregeln zu halten. Er beachtet auch bei Sport und Spiel Hinweise zum Tier- und Landschaftsschutz. Der sanfte Tourist bleibt auf Rad- und Wanderwegen und dringt nicht in verbotene Zonen vor, in denen Pflanzen- und Tiere geschützt werden. Kurz, der “sanfte Tourist” meidet die Urlaubsorte, die sich nicht um Umwelt und Kultur kümmern. Aber wo soll ich denn hinfahren und was kostet “sanfter Tourismus”, wird jetzt so mancher jammern. Doch dem kann geholfen werden.Zahlreiche Organisationen helfen weiter, man muß sich nur informieren. Auch Reiseveranstalter haben immer häufiger entsprechende Angebote, die auch für Jugendliche interessant sind. “Sanfter Tourismus” ist nicht teurer als “harter” Massentourismus. Wer mit der Bahn fährt und in der Jugenherberge oder einer ähnlichen Unterkunft nächtigt, zahlt weniger wie für die Flugreise in eine Touristenhochburg. Überhaupt ist Information das oberste Gebot für den “sanften Touristen”. Ohne Bescheid zu wissen, was in einem Urlaubsziel in Sachen Umweltschutz getan wird, läuft gar nichts. Eine sorgfältige Urlaubsplanung ist absolutes Muß, und schließlich macht es Spaß, sich schon ein paar Wochen vorher mit der Reise zu beschäftigen. Planen, Informieren, wissen, welche Freizeitangebote es vor Ort gibt, welche Ausflüge man unternehmen kann, vom Urlaub träumen,- das ist schon das halbe Vergnügen.Vor Ort schließlich bleibt jede Langeweile aus, man hat schließlich voraus geplant, und weiß was man will. Und zu guter letzt bleibt das gute Gefühl, auch im Zeitalter des Massentourismus nicht noch mehr Natur und Landschaft geschädigt zu haben.


Ute Izykowski
Die Glocke, 7/97

 

 
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