Mythos Star Trek
Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schrei ben das Jahr 2200.
Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400
Mann starken Besatzung fünf Jahre lang unter- wegs ist, um neue
Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre
von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie
ein Mensch zuvor gesehen hat.
Als die alte Enterprise am 8.9.1966 im amerikanischen Fernsehsender NBC
unter Leitung von Captain James T. Kirk zu ihrer ersten Mission aufbrach,
stand der Erfolg der Reise buchstäblich in den Sternen. Hätte
Gene Roddenberry, Vater des Star Trek, nicht nach zahllosen Ablehnungen
seines Konzeptes in Oscar Katz, dem Vizepräsidenten des Desilu-Studios
in Hollywood jemanden gefunden, der sein Projekt unterstützte, wer
weiß, vielleicht wäre eine der populärsten Science Fiction
Serien niemals gedreht worden.
Science Fiction in den 60.ger Jahren für ein breites Publikum schmackhaft
zu machen, war an sich schon ein Problem, galt das Genre als zu intellek
tuell und schwer verständlich für die große Masse. Schließlich
sollte eine Produktion Geld bringen, und gerade am Risiko des kommerziellen
Mißerfolges wäre die ganze Sache am Anfang beinahe gescheitert.
Der Fernsehzuschauer von heute, der sich an vielleicht zu Vieles schon
gewöhnt hat, wird wahrscheinlich ungläubig den Kopf schütteln
und fragen, warum denn ausgerechnet StarTrek zu anspruchsvoll gewesen
sein sollte. Doch man muß entgegenhalten, daß das Niveau,
auf dem damals Science Fiction begann, natürlich wesentlich niedriger
angesiedelt war als heutzutage. Die erste Mondlandung stand ja erst bevor,
und die Computertechnologie hat inzwischen einen gewaltigen Schritt nach
vorne gemacht. Da wirkt die technische Ausstattung der alten Enterprise
tatsächlich antiquiert und jeder PC leistet heute mehr als der damalige
Bortcomputer.
Dazu kommt, daß Roddenberrys Konzept der Originalserie für
die damalige Fernsehlandschaft etwas Neues bedeutete: Eine Science Fiction
Abenteuerserie, getragen von starken zentralen Hauptfiguren, die mit
Problemen zu kämpfen haben, die denen des Zuschauers gar nicht so
fremd sind. Die Geschichte wird in die Zukunft versetzt, aber nicht zu
weit, denn die Charaktere sollen deutlich als Menschen wie du und ich
erkennbar bleiben. Weit genug allerdings, um den Gedanken an Reisen durch
das Weltall glaubhaft zu machen. Während dieser Reisen mit dem Raumschiff,
das ursprünglich "Yorktown" heißen sollte, trifft
die Besatzung auf andere Welten, die im großen und ganzen die Lebensbedingungen
der Erde widerspiegeln. Dies nicht nur, um die Produktionskosten im Rahmen
zu halten, sondern auch, um dem Zuschauer einen gewissen Grad an Wiedererkennbarkeit
zu gewährleisten.
Im Sinne von Autor und Produzent Roddenberry lag es auch, den meisten
Folgen ein wenig Moral mitzugeben und über simple Abenteuergeschichten
um Raumschiffe und Außerirdische ein gutes Stück hinauszugehen.
Neben Wissenschaft und Technik standen immer Menschen und Handlung im
Mittelpunkt der Serie. Kritisches und Tiefgängiges wurde gefällig
verpackt und so einem breiten Publikum zugänglich. Doch gerade dieser
Anspruch war für die Anfangsschwierigkeiten der Serie mitverantwortlich.
Rückblickend aber trägt er auch zu ihrem Erfolg bei, und wurde
bis in die Nachfolgeserien "The Next Generation", "Deep
Space Nine" und auch “Voyager” richtungsweisend. Star
Trek ist bis heute mehr als seichte Science Fiction Unterhaltung.
1965 entstand in den Desilu-Studios der erste Pilotfilm "The Cage",
der teuerste, der bis dahin je produziert worden war, -und er wurde von
NBC abgelehnt. Es gab zuwenig Action und Abenteuer, und zudem hatte die
Besetzung für die damalige Zeit einige Mängel. Als ersten Offizier
hatte man damals mit Majel Barrett, die später Roddenberry heiratete,
eine Frau verpflichtet, -undenkbar in einer Zeit, in der Frauen lediglich
schmückende Funktion haben sollten. Auch die Akzeptanz sogenannter
fremder Lebensformen auf dem Bildschirm, -keine blutrünstigen Monster,
sondern intelligente, men schenähnliche Wesen, war damals weit geringer
als heutzutage. Wir sind mittlerweile Schlimmeres gewohnt als den Vulkanier
Spock mit seinen spitzen Ohren und dem faszinierendem Hang zur Logik.
Anfangs als abstoßend empfunden, entwickelte er sich trotz allem
Vorbehalt zu einer der beliebtesten Gestalten der Originalserie. Und
schließlich die Geschichte von The Cage selbst- es geht um Gedankenmanipulation,
die Beeinflussung des eigenen Denkens von Außen, hier extrem ausgereizt
und auf einen anderen Planeten verlagert, -an sich aber als Problem,
damals wie heute, aktuell.
Die NBC erteilte den Auftrag für einen zweiten Pilotfilm. Es gab
verschiedene Änderungen: Regisseur Robert Butler und Jeffrey Hunter,
der zunächst als Captain vorgesehen war, stiegen aus, stattdessen
führte James Goldstone Regie, und man übertrug dem in Kanada
geborenen William Shatner das Kommando über die Enterprise. Mr.Spock,
auf den Roddenberry keinesfalls verzichten wollte, übernahm den
Platz der "Nummer Eins". Auf eine Frau in führender Position
wurde verzichtet.
Im zweiten Pilotfilm "Where No Man Has Gone Before" wird ein
Mitglied der Besatzung durch fremdartige Energie in ein gottähnliches
Wesen verwandelt, das seine Kräfte rücksichtslos zur eigenen
Machtentfaltung nutzt. Die Folge endet diesmal actionreich mit einem
Nahkampf, in dem Captain Kirk persönlich das Böse besiegt.
Nach diesem Pilotfilm bekam Roddenberry schließ lich von NBC grünes
Licht für seine Serie.
Die Besatzung setzte sich allmählich erst in ihrer bekannten Form
zusammen. Neben William Shatner als James T.Kirk gehörten Leonard
Nimoy als Mr.Spock, und De Forrest Kelley als Schiffsarzt Dr. Leonard
"Pille" McCoy zu den Hauptakteuren auf der Brücke der
Enterprise. Mit von der Partie waren daneben James Doohan als Chefingineur
Montgomery Scott und Georg Takei als Sulu, der zunächst die Rolle
des Chefphysikers spielte, dann aber die Aufgabe des Steuermannes übernahm.
Nichelle Nichols verrichtete ihren Dienst als Lieutnant Uhura, und trat
damit als eine der ersten schwarzen Frauen regelmäßig in einer
Fernsehserie auf. Walter Koenig schließlich als Pavel Chekow, der
russischen Navigator, spielte erst in der zweiten Staffel der Originalserie
mit. Der Gedanke, daß die Menschen ungeachtet ihrer Herkunft friedlich
zusammenleben, seien es Russen oder Amerikaner, Schwarze oder Weiße,
birgt wahrscheinlich mehr Fiktion als ganzen Serie zusammen, doch er
bleibt bestimmend für Star Trek bis hin zu den neuesten Folgen.
Oder wie Captain Picard es in der nächsten Generation einmal ausdrückt:
"Toleranz und Verstehen haben aus vielen Völkern Freunde gemacht".
Der charakteristische Rahmen, den die Originalserie im Laufe der Zeit
entwickelte, baute ganz ent- scheidend auf den Figuren von Kirk, Spock
und McCoy auf. Diese drei verkörpern völlig unterschiedliche
Charakterzüge des Menschen, -Draufgängertum, Logik und Humanität.
Stets mit einer Prise Humor gewürzte Wortgefechte zeigen, wie Dinge
aus verschiedenen Perspektiven heraus gesehen werden können. Kommentare
zu sozialen Verhältnissen wurden bestimmend für die Originalserie,
und sie blieben es bis zu "The Next Generation" und "Deep
Space Nine".
Dennoch, wie vielleicht nicht anders zu erwarten, die erste Staffel der
Originalserie erreichte nicht die gewünschten Einschaltquoten. Einzig
eine von Science-Fiction Autor Harlan Ellison ins Leben gerufene Briefkampagne
rettete die Serie vor der Absetzung, und zwar so erfolgreich, daß
sie auf eine zweite und schließlich eine dritte Staffel ausgedehnt
wurde. Erst dann, nachdem die Enterprise drei Jahre lang unbekannte Welten
erforscht hatte, endete ihre Reise.
Heute, 30 Jahre nach der Erstausstrahlung sind die alten StarTrek Folgen
mit Kirk, Spock und McCoy Legende. Zwar wirken Kulissen und Spezialeffekte
der Originalserie aus der heutigen Sicht heraus primitiv, doch die Geschichten
und die Charaktere sind noch immer interessant.
Das Aus für die Originalserie bedeutete noch lange nicht das Ende
für StarTrek. Wiederholungen brachten endlich die erwünschten
Einschaltquoten, internationale Ausstrahlung machte die Serie über
die USA hinaus bekannt. In den 70.ger Jahren gab es StarTrek als Zeichentrickserie,
und schließlich, 1979 kam "StarTrek: Der Film" in die
Kinos, produziert von Paramount, die bereits während der Drehzeit
der Originalserie die Desilu-Studios übernommen hatte.
Die Kinofilme, erfolgreich, aber von Kritik nicht verschont, unterscheiden
sich vor allem dadurch von den Fernsehfolgen, daß die Mischung
aus Abenteuer und Anspruch, die den eigentlichen Reiz der Serie ausmacht,
ein Stück weit den kassenfüllenden Aspekten Action und Spezial
Effects geopfert wurde. Dennoch sehenswert, wenn man nicht zuviel erwartet
und sich für zwei Stunden unterhalten möchte. Im vorletzten
Kinoprodukt "Treffen der Generationen" hat die alte Enterprisecrew
nun endgültig den Ort des Geschehens verlassen und der "Next
Generation" Platz gemacht. Diese wiederum macht in “Der erste
Kontakt” mit Hilfe einer Zeitreise das allererste Zusammentreffen
der Menschheit mit Außerirdischen überhaupt erst möglich.
Die “Next Generation” ist bereits am 29.9.1987 mit einer
modernen Enterprise unter Kommando von Jean-Luc Picard zu einer neue
Mission ins Weltall gestartet. Die Reise ist diemal nicht als fünfjähriges
Forschungsunternehmen angelegt, sondern als unbefristete Fahrt in die
unendlichen Weiten des Weltraums, eben dorthin, wo noch nie zuvor ein
Mensch gewesen ist.
Als ausführende Produzenten wurden Rick Berman und zunächst
Robert Justman verpflichtet, dessen Platz dann später Michael Piller
einnahm.Auch Star Trek-Erfinder Roddenberry war wieder dabei. Einiges
ist gleichgeblieben, vieles hat sich verändert, mußte sich
verändern, denn die Bedingungen von 1987 waren anders als in den
60ger Jahren. Dinge, die damals aktuell, wenn nicht gar revolutionär
wirkten, mußten auf die Gegenwart angepaßt werden.
Die Technik ist ausgereifter, auch das Interesse an Science Fiction ist
gewachsen. Das größte Problem allerdings war, daß die
meisten Zuschauer der alten Enterprise-Crew die Treue hielten und die
Akzeptanz für die neue Generation erst langsam wachsen mußte.Tatsächlich
wurden die ersten Folgen als Enttäuschung angesehen, doch da Paramount
letzteres einkalkuliert hatte, wurde die Serie fortgeführt.
Außerirdische gehören inzwischen zum normalen Erscheinungsbild,
und werden zu Sympathieträgern, obwohl eine Figur, wie der Klingone
Worf weitaus ungewöhnlicher und abschreckender wirkt wie einst der
gute Spock, der als Verbindungsglied zur Originalserie als Botschafter
seiner Welt auch durch die neue Serie geistert. Vulkanier haben eben
nicht nur spitze Ohren und grünes Blut, sie werden auch alt. Anders
übrigens der Captain der alten Enterprise.
Spätestens seit dem Kinofilm "Treffen der Generationen"
ist an ein Comeback von Kirk nicht mehr zu denken. In der wahrscheinlich
symbolträchtigsten Szene des ganzen Filmes beerdigt Captain Picard
von der neuen Enterprise Captain Kirk von der alten.
Dieser neue Captain könnte Kirk dann auch nicht unähnlicher
sein, der Franzose Picard, vom englischen Shakespeardarsteller Patrick
Steward hervorragend in Szene gesetzt. Gewagt war es schon, dem gutaussehenden
Frauenliebling Kirk einen fast kahlköpfigen Captain in den Fünfzigern
folgen zu lassen, einen introvertierten Typen, gebildet, der Archäologie
als Hobby betreibt, und am liebsten Tee trinkt, -"Earl Grey, -heiß".
Neigte Kirk verkaufsfördernd zum Draufgängertum, der mit Cowboymarnieren
lieber einmal zuerst zurückschlug, steht mit Picard der geborene
Diplomat an der Spitze der Enterprisecrew, der Konflikte lieber auf friedlichem
Wege löst. Die Rolle des Draufgängers wurde auf den ersten
Offizier William Riker übertragen, gespielt von Jonathan Frakes.
Die Aufgabe des Arztes übernahm Gates Mc Fadden als Dr. Beverly
Crusher, deren Sohn Wesley, gespielt von Wil Wheaton, so etwas wie ein
Wunderkind an Bord, oft dann die entscheidende Idee hat, wenn alle anderen
nicht mehr weiter wissen. Als weitere maßgebliche Charaktere wirken
Broadway-Schauspieler Brent Spiner als Android Data mit, Michael Dorn,
der unter beeindruckender Maske den Klingonen Worf darstellt, und schließlich
der blinde Schiffsingineur Geordi LaForge, alias LeVar Burton, der mit
einem Gerät namens Visor ausgestattet, sehen kann, und technische
Probleme noch geschickter löst als damals der alte Scotty. Denise
Crosby als Sicherheitsoffizier Tasha Yar verließ die Serie am Ende
des ersten Jahres. Marina Sirtis spielt die zweite Außerirdische
der Stammbesatzung, die Betazoide Deanna Troi, Schiffscounsular, eine
Art psychologische Beraterin, mit der Fähigkeit, Emotionen zu lesen.
Die Facette der tragenden Charaktere ist damit breiter geworden, wenngleich
sie sich erst im Laufe der Zeit als glaubhafte Persönlichkeiten
definieren lassen. Witzig immer dann, wenn Android Data verstehen möchte,
was es heißt, Mensch zu sein. Er, mit nahezu perfekten intellektuellen
und körperlichen Fähigkeiten ausgestattet, versteht keine menschliche
Gefühsregung, möchte aber nichts lieber als menschlich werden.
Man beginnt darüber nachzudenken, daß auch Unzulänglichkeiten
zum Menschsein gehören. Klingone Worf, von menschlichen Eltern aufgezogen,
kämpft beständig um seine eigene kulturelle Identität.
Persönliche Probleme wie diese laufen parallel zu äußeren
Ereignissen, die das Schiff oder die Besatzung bedrohen.
Was geschieht, wenn Kulturen mit völlig verschiedenen Wertevorstellungen
aufeinandertreffen, wurde zum wichtigen Thema bei "The Next Generation",
und es wurde tragend für "Deep Space Nine", einem weiteren
Star Trek-Ableger, und der ersten Produktion nach Roddenberrys Tod im
Oktober 1991. Schauplatz der von Rick Berman und Michael Pillar konzipierten
Geschichte ist nun kein Raumschiff auf der Suche nach Abenteuern, sondern
eine Raumstation, auf der unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen.
Diese Raumstation DS9 befindet sich im Orbit um den Planeten Bajor, der
lange Zeit unter der Besatzung durch die Cardassianer zu leiden hatte.
Die Föderation soll nun beim schwierigen, von Machtkämpfen
begleiteten Wiederaufbau der bajoranischen Welt helfen und übernimmt
die Leitung der Raumstation.
Schon die Besatzung von DS9 ist ein bunt zusammengewürfeltes Grüppchen.
An der Spitze steht der Commander der Sternenflotte, Benjamin Sisko,
gespielt von Avery Brooks, der die Station mit einer Mischung aus militärischer
Stärke, Korrektheit und Menschlichkeit leitet.Ihm zur Seite steht
Nana Visitor in ihrer Rolle als bajoranischer Verbindungsoffizier Kira
Narys, eine Kämpfernatur, die während der Besatzung durch die
Cardassianer dem bajoranischen Untergrund angehörte. Colm Meaney
als Chefingineur Chief O'Brien wechselte von der Enterprise nach DS9.
Rene Auberjonois verkörpert Sicherheitschef Odo, anfangs der einzig
bekanne Vertreter der Spezies der Formwandler. Odo steht isoliert in
der Gesellschaft, sieht sich keiner Seite verpflichtet, sondern strebt
unbeirrt nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Wissenschaftsoffizier Dax,
von Terry Farrell dargestellt, ist eine Trill, eine symbiotische Lebensform,
die auf die Erfahrung von mehreren Jahrhunderten zurückblicken kann.
Siddig El Fadil tritt als Dr.Bashir auf, ein quirliger Mensch, der zuviel
und zu schnell redet, und schließlich gibt es da noch den Ferengi
Quark, die Rolle übernahm Armin Shimmerman, der Bar und Spieletablissement
auf der Station betreibt und gemäß der Sitte seines Volkes
stets auf Profit aus ist, notfalls auch mit fragwürdigen Mitteln.
Die Vielfalt der Charaktere und schließlich das Konzept der Rahmenhandlung
um ein Volk, daß nach Krieg und Besatzung nach Unabhängigkeit
strebt, erlauben es nun noch stärker, soziale und politische Kommentare
einzuflechten.Konflikte entstehen, wenn unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen,
hier vor allem in Gestalt der Menschen, mit ihrer stark humanistischen
Prägung und ihrem Sinn für Realität und der Bajoraner,
ein spirituelles und mystisches Volk, das nur durch ihre gemeinsamme
Religion zusammengehalten wird. Konflikte entstehen auf persönlicher,
aber auch auf politischer Ebene. Die Situation, die auf Bajor nachgezeichnet
wird, ist die einer Kultur, die nach langer Unterdrückung ihre eigene
Identität sucht. Nach dem gemeinsam ausgefochtenen Kampf gegen die
Besatzung kommt es nun zu Machtstreitigkeiten einzelner Splittergruppen.
Probleme wie Terrorismus und Fremdenfeindlichkeit werden ebenso behandelt,
wie das Auftreten rechtsradikaler, nationalistischer Tendenzen. Erst
im Verlauf der Serie kommen weitaus drastischere Probleme hinzu. Odo
entdeckt, daß er zum sogenannten Volk der “Gründer”
gehört, die, aus dem Nachbarquadranten kommend, alle anderen Völker
beherrschen wollen. Cardassia kooperiert mit den Gründern, und Bajor
gibt aus diplomatischen Gründen DS 9 zurück an ihre Erbauer.
Eine Niederlage für die Föderation und Commander Sisco? Man
darf gespannt sein, denn die aktuellen Folgen zeigen den Kampf gegen
das Volk der Formwandler und ihrer Helfer.
Das Universum des StarTrek ist also nicht besser oder schlechter als
unseres. Entscheidend ist, daß fremde Kulturen niemals als gut
oder böse gezeichnet werden. Sie sind anders und haben andere Vorstellungen
zu höchsten Werten erhoben, -das ist alles. Sind es nun die Klingonen,
ein Kriegervolk von wildem Äußeren, mit einem hohen Begriff
von Ehre, oder die Ferengi, ein Volk von Händlern.Andere haben andere
Wertvorstellungen, doch allen ist gemein, daß ein bestimmter Wesenszug
des Menschen zum höchsten Maßstab erhoben wurde. Doch die
StarTrek-Menschen sind wahrscheinlich humaner als es die heutige Wirklichkeit
vermuten läßt. Auch hier wurden Wertvorstellungen weitergeführt,
Toleranz und Gerechtigkeit, Verständnis, ein gewisses Maß
an Intelligenz, Neugierde und Forscherdrang. Die Ethik der Menschen im
StarTrek -Universum ist übrigens unumstößlich, wie der
jüngste Sproß der Reihe zeigt. Raumschiff Voyager, unter Leitung
von Captain Kathrin Janeway ist durch ein unvorhergesehenes Ereignis
so weit vom Kurs abgekommen, daß es 70 Jahre dauern wird, bis die
Erde erreicht sein wird.
Eine Ausnahmesituation, die alle Regeln außer Kraft setzt? Keineswegs.
Die Normen der Sternenflotte gelten auch weit ab von zuhause. Toleranz,
Verständnis, Hilfsbereitschaft, bis hin zur Obersten Direktive.
Alles behält seine Bedeutung, und wenn es in einem fremden Universum
Kopf und Kragen kosten sollte. Allerdings ist “Voyager” gemessen
an den Vorgängern die schwächste StarTrek-Produktion. Den Figuren
mangelt es einstweilen noch an Persönlichkeit, die Geschichten kennt
man häufig in abgewandelter Form von früher. Außerdem
fragt sich der aufmerksame Zuschauer, warum ein Schiff, technisch ausgereifter
als sämtliche Vorgänger, bei jeder Erschütterung so sehr
gerüttelt wird, daß man einen Hüllenbruch befürchten
muß. Die ausgiebig verwendeten technischen Terminologien sind zwar
phantasievoll, aber so unverständlich, daß einem kaum geholfen
ist.
Aus der StarTrek-Welt mitnehmen kann man eines: den Gedanken, daß
niemand schlechter ist, nur weil er anders denkt, anders aussieht oder
einer anderen Kultur entstammt, aber auch die Frage, welche Werte für
den Menschen erstrebenswert sind, und ob wir uns tatsächlich auf
dem richtigen Weg befinden, oder doch nur dabei sind, Ferengi zu werden.
Auch gesellschaftliche Utopien sind ein Aspekt von Science Fiction, insbesondere
von StarTrek. Daneben gibt es die technischen Vorstellungen. Natürlich
weiß jeder, daß beamen nicht möglich ist, und daß
Menschen nicht mit Worpantrieb durch das Universum reisen. Noch nicht.
Denn wer weiß, villeicht sind manche Dinge, die wir heute noch
nicht wissen, in ein paar hundert Jahren längst Allgemeingut. Ernstgemeinte
Science Fiction ist immer auch ein Hinweis darauf, was alles möglich
sein könnte. Phantasie ist stets eine der Triebkräfte des Fortschritts
gewesen. Fortschritt im Sinne der StarTrek-Welt bedeutet dann auch keine
Schwarzmalerei, sondern basiert auf der Überzeugung, daß der
Mensch, greift er auf alle seine Fähigkeiten zurück, Probleme
auf bestmögliche Weise zu lösen vermag. Nutzt der Mensch seine
gegebene Intelligenz und vergißt dabei nicht die Grundgesetze der
Menschlichkeit, dann sind Wege in eine positive Zukunft möglich,-
darin liegt die Botschaft von StarTrek, und wahrscheinlich auch der Erfolg,
der die Serie seit nunmehr 30 Jahren am Leben erhält, immer unterwegs,
um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen.
Ute Izykowski
Die Glocke, 3/96; 4/96
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