Zeitschriftenartikel

 

Mythos Star Trek; 3/96; 4/96
Amnesty International; 7/96
Tatoos; 10/96
Piercing; 2/97
Anthroposophie; 3/97
Sanfter Tourismus; 7/97
Loveparade; 8/97
Beatles; 8/97, 9/97
Documenta X; 9/97
Krieg im Kinderzimmer; 2/98


Mythos Star Trek
Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schrei ben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung fünf Jahre lang unter- wegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

Als die alte Enterprise am 8.9.1966 im amerikanischen Fernsehsender NBC unter Leitung von Captain James T. Kirk zu ihrer ersten Mission aufbrach, stand der Erfolg der Reise buchstäblich in den Sternen. Hätte Gene Roddenberry, Vater des Star Trek, nicht nach zahllosen Ablehnungen seines Konzeptes in Oscar Katz, dem Vizepräsidenten des Desilu-Studios in Hollywood jemanden gefunden, der sein Projekt unterstützte, wer weiß, vielleicht wäre eine der populärsten Science Fiction Serien niemals gedreht worden.
Science Fiction in den 60.ger Jahren für ein breites Publikum schmackhaft zu machen, war an sich schon ein Problem, galt das Genre als zu intellek tuell und schwer verständlich für die große Masse. Schließlich sollte eine Produktion Geld bringen, und gerade am Risiko des kommerziellen Mißerfolges wäre die ganze Sache am Anfang beinahe gescheitert.
Der Fernsehzuschauer von heute, der sich an vielleicht zu Vieles schon gewöhnt hat, wird wahrscheinlich ungläubig den Kopf schütteln und fragen, warum denn ausgerechnet StarTrek zu anspruchsvoll gewesen sein sollte. Doch man muß entgegenhalten, daß das Niveau, auf dem damals Science Fiction begann, natürlich wesentlich niedriger angesiedelt war als heutzutage. Die erste Mondlandung stand ja erst bevor, und die Computertechnologie hat inzwischen einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Da wirkt die technische Ausstattung der alten Enterprise tatsächlich antiquiert und jeder PC leistet heute mehr als der damalige Bortcomputer.
Dazu kommt, daß Roddenberrys Konzept der Originalserie für die damalige Fernsehlandschaft etwas Neues bedeutete: Eine Science Fiction Abenteuerserie, getragen von starken zentralen Hauptfiguren, die mit Problemen zu kämpfen haben, die denen des Zuschauers gar nicht so fremd sind. Die Geschichte wird in die Zukunft versetzt, aber nicht zu weit, denn die Charaktere sollen deutlich als Menschen wie du und ich erkennbar bleiben. Weit genug allerdings, um den Gedanken an Reisen durch das Weltall glaubhaft zu machen. Während dieser Reisen mit dem Raumschiff, das ursprünglich "Yorktown" heißen sollte, trifft die Besatzung auf andere Welten, die im großen und ganzen die Lebensbedingungen der Erde widerspiegeln. Dies nicht nur, um die Produktionskosten im Rahmen zu halten, sondern auch, um dem Zuschauer einen gewissen Grad an Wiedererkennbarkeit zu gewährleisten.
Im Sinne von Autor und Produzent Roddenberry lag es auch, den meisten Folgen ein wenig Moral mitzugeben und über simple Abenteuergeschichten um Raumschiffe und Außerirdische ein gutes Stück hinauszugehen. Neben Wissenschaft und Technik standen immer Menschen und Handlung im Mittelpunkt der Serie. Kritisches und Tiefgängiges wurde gefällig verpackt und so einem breiten Publikum zugänglich. Doch gerade dieser Anspruch war für die Anfangsschwierigkeiten der Serie mitverantwortlich.
Rückblickend aber trägt er auch zu ihrem Erfolg bei, und wurde bis in die Nachfolgeserien "The Next Generation", "Deep Space Nine" und auch “Voyager” richtungsweisend. Star Trek ist bis heute mehr als seichte Science Fiction Unterhaltung.
1965 entstand in den Desilu-Studios der erste Pilotfilm "The Cage", der teuerste, der bis dahin je produziert worden war, -und er wurde von NBC abgelehnt. Es gab zuwenig Action und Abenteuer, und zudem hatte die Besetzung für die damalige Zeit einige Mängel. Als ersten Offizier hatte man damals mit Majel Barrett, die später Roddenberry heiratete, eine Frau verpflichtet, -undenkbar in einer Zeit, in der Frauen lediglich schmückende Funktion haben sollten. Auch die Akzeptanz sogenannter fremder Lebensformen auf dem Bildschirm, -keine blutrünstigen Monster, sondern intelligente, men schenähnliche Wesen, war damals weit geringer als heutzutage. Wir sind mittlerweile Schlimmeres gewohnt als den Vulkanier Spock mit seinen spitzen Ohren und dem faszinierendem Hang zur Logik. Anfangs als abstoßend empfunden, entwickelte er sich trotz allem Vorbehalt zu einer der beliebtesten Gestalten der Originalserie. Und schließlich die Geschichte von The Cage selbst- es geht um Gedankenmanipulation, die Beeinflussung des eigenen Denkens von Außen, hier extrem ausgereizt und auf einen anderen Planeten verlagert, -an sich aber als Problem, damals wie heute, aktuell.
Die NBC erteilte den Auftrag für einen zweiten Pilotfilm. Es gab verschiedene Änderungen: Regisseur Robert Butler und Jeffrey Hunter, der zunächst als Captain vorgesehen war, stiegen aus, stattdessen führte James Goldstone Regie, und man übertrug dem in Kanada geborenen William Shatner das Kommando über die Enterprise. Mr.Spock, auf den Roddenberry keinesfalls verzichten wollte, übernahm den Platz der "Nummer Eins". Auf eine Frau in führender Position wurde verzichtet.
Im zweiten Pilotfilm "Where No Man Has Gone Before" wird ein Mitglied der Besatzung durch fremdartige Energie in ein gottähnliches Wesen verwandelt, das seine Kräfte rücksichtslos zur eigenen Machtentfaltung nutzt. Die Folge endet diesmal actionreich mit einem Nahkampf, in dem Captain Kirk persönlich das Böse besiegt. Nach diesem Pilotfilm bekam Roddenberry schließ lich von NBC grünes Licht für seine Serie.
Die Besatzung setzte sich allmählich erst in ihrer bekannten Form zusammen. Neben William Shatner als James T.Kirk gehörten Leonard Nimoy als Mr.Spock, und De Forrest Kelley als Schiffsarzt Dr. Leonard "Pille" McCoy zu den Hauptakteuren auf der Brücke der Enterprise. Mit von der Partie waren daneben James Doohan als Chefingineur Montgomery Scott und Georg Takei als Sulu, der zunächst die Rolle des Chefphysikers spielte, dann aber die Aufgabe des Steuermannes übernahm. Nichelle Nichols verrichtete ihren Dienst als Lieutnant Uhura, und trat damit als eine der ersten schwarzen Frauen regelmäßig in einer Fernsehserie auf. Walter Koenig schließlich als Pavel Chekow, der russischen Navigator, spielte erst in der zweiten Staffel der Originalserie mit. Der Gedanke, daß die Menschen ungeachtet ihrer Herkunft friedlich zusammenleben, seien es Russen oder Amerikaner, Schwarze oder Weiße, birgt wahrscheinlich mehr Fiktion als ganzen Serie zusammen, doch er bleibt bestimmend für Star Trek bis hin zu den neuesten Folgen. Oder wie Captain Picard es in der nächsten Generation einmal ausdrückt: "Toleranz und Verstehen haben aus vielen Völkern Freunde gemacht".
Der charakteristische Rahmen, den die Originalserie im Laufe der Zeit entwickelte, baute ganz ent- scheidend auf den Figuren von Kirk, Spock und McCoy auf. Diese drei verkörpern völlig unterschiedliche Charakterzüge des Menschen, -Draufgängertum, Logik und Humanität. Stets mit einer Prise Humor gewürzte Wortgefechte zeigen, wie Dinge aus verschiedenen Perspektiven heraus gesehen werden können. Kommentare zu sozialen Verhältnissen wurden bestimmend für die Originalserie, und sie blieben es bis zu "The Next Generation" und "Deep Space Nine".
Dennoch, wie vielleicht nicht anders zu erwarten, die erste Staffel der Originalserie erreichte nicht die gewünschten Einschaltquoten. Einzig eine von Science-Fiction Autor Harlan Ellison ins Leben gerufene Briefkampagne rettete die Serie vor der Absetzung, und zwar so erfolgreich, daß sie auf eine zweite und schließlich eine dritte Staffel ausgedehnt wurde. Erst dann, nachdem die Enterprise drei Jahre lang unbekannte Welten erforscht hatte, endete ihre Reise.
Heute, 30 Jahre nach der Erstausstrahlung sind die alten StarTrek Folgen mit Kirk, Spock und McCoy Legende. Zwar wirken Kulissen und Spezialeffekte der Originalserie aus der heutigen Sicht heraus primitiv, doch die Geschichten und die Charaktere sind noch immer interessant.
Das Aus für die Originalserie bedeutete noch lange nicht das Ende für StarTrek. Wiederholungen brachten endlich die erwünschten Einschaltquoten, internationale Ausstrahlung machte die Serie über die USA hinaus bekannt. In den 70.ger Jahren gab es StarTrek als Zeichentrickserie, und schließlich, 1979 kam "StarTrek: Der Film" in die Kinos, produziert von Paramount, die bereits während der Drehzeit der Originalserie die Desilu-Studios übernommen hatte.
Die Kinofilme, erfolgreich, aber von Kritik nicht verschont, unterscheiden sich vor allem dadurch von den Fernsehfolgen, daß die Mischung aus Abenteuer und Anspruch, die den eigentlichen Reiz der Serie ausmacht, ein Stück weit den kassenfüllenden Aspekten Action und Spezial Effects geopfert wurde. Dennoch sehenswert, wenn man nicht zuviel erwartet und sich für zwei Stunden unterhalten möchte. Im vorletzten Kinoprodukt "Treffen der Generationen" hat die alte Enterprisecrew nun endgültig den Ort des Geschehens verlassen und der "Next Generation" Platz gemacht. Diese wiederum macht in “Der erste Kontakt” mit Hilfe einer Zeitreise das allererste Zusammentreffen der Menschheit mit Außerirdischen überhaupt erst möglich. Die “Next Generation” ist bereits am 29.9.1987 mit einer modernen Enterprise unter Kommando von Jean-Luc Picard zu einer neue Mission ins Weltall gestartet. Die Reise ist diemal nicht als fünfjähriges Forschungsunternehmen angelegt, sondern als unbefristete Fahrt in die unendlichen Weiten des Weltraums, eben dorthin, wo noch nie zuvor ein Mensch gewesen ist.
Als ausführende Produzenten wurden Rick Berman und zunächst Robert Justman verpflichtet, dessen Platz dann später Michael Piller einnahm.Auch Star Trek-Erfinder Roddenberry war wieder dabei. Einiges ist gleichgeblieben, vieles hat sich verändert, mußte sich verändern, denn die Bedingungen von 1987 waren anders als in den 60ger Jahren. Dinge, die damals aktuell, wenn nicht gar revolutionär wirkten, mußten auf die Gegenwart angepaßt werden.
Die Technik ist ausgereifter, auch das Interesse an Science Fiction ist gewachsen. Das größte Problem allerdings war, daß die meisten Zuschauer der alten Enterprise-Crew die Treue hielten und die Akzeptanz für die neue Generation erst langsam wachsen mußte.Tatsächlich wurden die ersten Folgen als Enttäuschung angesehen, doch da Paramount letzteres einkalkuliert hatte, wurde die Serie fortgeführt.
Außerirdische gehören inzwischen zum normalen Erscheinungsbild, und werden zu Sympathieträgern, obwohl eine Figur, wie der Klingone Worf weitaus ungewöhnlicher und abschreckender wirkt wie einst der gute Spock, der als Verbindungsglied zur Originalserie als Botschafter seiner Welt auch durch die neue Serie geistert. Vulkanier haben eben nicht nur spitze Ohren und grünes Blut, sie werden auch alt. Anders übrigens der Captain der alten Enterprise.
Spätestens seit dem Kinofilm "Treffen der Generationen" ist an ein Comeback von Kirk nicht mehr zu denken. In der wahrscheinlich symbolträchtigsten Szene des ganzen Filmes beerdigt Captain Picard von der neuen Enterprise Captain Kirk von der alten.
Dieser neue Captain könnte Kirk dann auch nicht unähnlicher sein, der Franzose Picard, vom englischen Shakespeardarsteller Patrick Steward hervorragend in Szene gesetzt. Gewagt war es schon, dem gutaussehenden Frauenliebling Kirk einen fast kahlköpfigen Captain in den Fünfzigern folgen zu lassen, einen introvertierten Typen, gebildet, der Archäologie als Hobby betreibt, und am liebsten Tee trinkt, -"Earl Grey, -heiß".
Neigte Kirk verkaufsfördernd zum Draufgängertum, der mit Cowboymarnieren lieber einmal zuerst zurückschlug, steht mit Picard der geborene Diplomat an der Spitze der Enterprisecrew, der Konflikte lieber auf friedlichem Wege löst. Die Rolle des Draufgängers wurde auf den ersten Offizier William Riker übertragen, gespielt von Jonathan Frakes. Die Aufgabe des Arztes übernahm Gates Mc Fadden als Dr. Beverly Crusher, deren Sohn Wesley, gespielt von Wil Wheaton, so etwas wie ein Wunderkind an Bord, oft dann die entscheidende Idee hat, wenn alle anderen nicht mehr weiter wissen. Als weitere maßgebliche Charaktere wirken Broadway-Schauspieler Brent Spiner als Android Data mit, Michael Dorn, der unter beeindruckender Maske den Klingonen Worf darstellt, und schließlich der blinde Schiffsingineur Geordi LaForge, alias LeVar Burton, der mit einem Gerät namens Visor ausgestattet, sehen kann, und technische Probleme noch geschickter löst als damals der alte Scotty. Denise Crosby als Sicherheitsoffizier Tasha Yar verließ die Serie am Ende des ersten Jahres. Marina Sirtis spielt die zweite Außerirdische der Stammbesatzung, die Betazoide Deanna Troi, Schiffscounsular, eine Art psychologische Beraterin, mit der Fähigkeit, Emotionen zu lesen.
Die Facette der tragenden Charaktere ist damit breiter geworden, wenngleich sie sich erst im Laufe der Zeit als glaubhafte Persönlichkeiten definieren lassen. Witzig immer dann, wenn Android Data verstehen möchte, was es heißt, Mensch zu sein. Er, mit nahezu perfekten intellektuellen und körperlichen Fähigkeiten ausgestattet, versteht keine menschliche Gefühsregung, möchte aber nichts lieber als menschlich werden. Man beginnt darüber nachzudenken, daß auch Unzulänglichkeiten zum Menschsein gehören. Klingone Worf, von menschlichen Eltern aufgezogen, kämpft beständig um seine eigene kulturelle Identität. Persönliche Probleme wie diese laufen parallel zu äußeren Ereignissen, die das Schiff oder die Besatzung bedrohen.


Was geschieht, wenn Kulturen mit völlig verschiedenen Wertevorstellungen aufeinandertreffen, wurde zum wichtigen Thema bei "The Next Generation", und es wurde tragend für "Deep Space Nine", einem weiteren Star Trek-Ableger, und der ersten Produktion nach Roddenberrys Tod im Oktober 1991. Schauplatz der von Rick Berman und Michael Pillar konzipierten Geschichte ist nun kein Raumschiff auf der Suche nach Abenteuern, sondern eine Raumstation, auf der unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen. Diese Raumstation DS9 befindet sich im Orbit um den Planeten Bajor, der lange Zeit unter der Besatzung durch die Cardassianer zu leiden hatte. Die Föderation soll nun beim schwierigen, von Machtkämpfen begleiteten Wiederaufbau der bajoranischen Welt helfen und übernimmt die Leitung der Raumstation.
Schon die Besatzung von DS9 ist ein bunt zusammengewürfeltes Grüppchen. An der Spitze steht der Commander der Sternenflotte, Benjamin Sisko, gespielt von Avery Brooks, der die Station mit einer Mischung aus militärischer Stärke, Korrektheit und Menschlichkeit leitet.Ihm zur Seite steht Nana Visitor in ihrer Rolle als bajoranischer Verbindungsoffizier Kira Narys, eine Kämpfernatur, die während der Besatzung durch die Cardassianer dem bajoranischen Untergrund angehörte. Colm Meaney als Chefingineur Chief O'Brien wechselte von der Enterprise nach DS9. Rene Auberjonois verkörpert Sicherheitschef Odo, anfangs der einzig bekanne Vertreter der Spezies der Formwandler. Odo steht isoliert in der Gesellschaft, sieht sich keiner Seite verpflichtet, sondern strebt unbeirrt nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Wissenschaftsoffizier Dax, von Terry Farrell dargestellt, ist eine Trill, eine symbiotische Lebensform, die auf die Erfahrung von mehreren Jahrhunderten zurückblicken kann. Siddig El Fadil tritt als Dr.Bashir auf, ein quirliger Mensch, der zuviel und zu schnell redet, und schließlich gibt es da noch den Ferengi Quark, die Rolle übernahm Armin Shimmerman, der Bar und Spieletablissement auf der Station betreibt und gemäß der Sitte seines Volkes stets auf Profit aus ist, notfalls auch mit fragwürdigen Mitteln.
Die Vielfalt der Charaktere und schließlich das Konzept der Rahmenhandlung um ein Volk, daß nach Krieg und Besatzung nach Unabhängigkeit strebt, erlauben es nun noch stärker, soziale und politische Kommentare einzuflechten.Konflikte entstehen, wenn unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen, hier vor allem in Gestalt der Menschen, mit ihrer stark humanistischen Prägung und ihrem Sinn für Realität und der Bajoraner, ein spirituelles und mystisches Volk, das nur durch ihre gemeinsamme Religion zusammengehalten wird. Konflikte entstehen auf persönlicher, aber auch auf politischer Ebene. Die Situation, die auf Bajor nachgezeichnet wird, ist die einer Kultur, die nach langer Unterdrückung ihre eigene Identität sucht. Nach dem gemeinsam ausgefochtenen Kampf gegen die Besatzung kommt es nun zu Machtstreitigkeiten einzelner Splittergruppen. Probleme wie Terrorismus und Fremdenfeindlichkeit werden ebenso behandelt, wie das Auftreten rechtsradikaler, nationalistischer Tendenzen. Erst im Verlauf der Serie kommen weitaus drastischere Probleme hinzu. Odo entdeckt, daß er zum sogenannten Volk der “Gründer” gehört, die, aus dem Nachbarquadranten kommend, alle anderen Völker beherrschen wollen. Cardassia kooperiert mit den Gründern, und Bajor gibt aus diplomatischen Gründen DS 9 zurück an ihre Erbauer. Eine Niederlage für die Föderation und Commander Sisco? Man darf gespannt sein, denn die aktuellen Folgen zeigen den Kampf gegen das Volk der Formwandler und ihrer Helfer.
Das Universum des StarTrek ist also nicht besser oder schlechter als unseres. Entscheidend ist, daß fremde Kulturen niemals als gut oder böse gezeichnet werden. Sie sind anders und haben andere Vorstellungen zu höchsten Werten erhoben, -das ist alles. Sind es nun die Klingonen, ein Kriegervolk von wildem Äußeren, mit einem hohen Begriff von Ehre, oder die Ferengi, ein Volk von Händlern.Andere haben andere Wertvorstellungen, doch allen ist gemein, daß ein bestimmter Wesenszug des Menschen zum höchsten Maßstab erhoben wurde. Doch die StarTrek-Menschen sind wahrscheinlich humaner als es die heutige Wirklichkeit vermuten läßt. Auch hier wurden Wertvorstellungen weitergeführt, Toleranz und Gerechtigkeit, Verständnis, ein gewisses Maß an Intelligenz, Neugierde und Forscherdrang. Die Ethik der Menschen im StarTrek -Universum ist übrigens unumstößlich, wie der jüngste Sproß der Reihe zeigt. Raumschiff Voyager, unter Leitung von Captain Kathrin Janeway ist durch ein unvorhergesehenes Ereignis so weit vom Kurs abgekommen, daß es 70 Jahre dauern wird, bis die Erde erreicht sein wird.
Eine Ausnahmesituation, die alle Regeln außer Kraft setzt? Keineswegs. Die Normen der Sternenflotte gelten auch weit ab von zuhause. Toleranz, Verständnis, Hilfsbereitschaft, bis hin zur Obersten Direktive. Alles behält seine Bedeutung, und wenn es in einem fremden Universum Kopf und Kragen kosten sollte. Allerdings ist “Voyager” gemessen an den Vorgängern die schwächste StarTrek-Produktion. Den Figuren mangelt es einstweilen noch an Persönlichkeit, die Geschichten kennt man häufig in abgewandelter Form von früher. Außerdem fragt sich der aufmerksame Zuschauer, warum ein Schiff, technisch ausgereifter als sämtliche Vorgänger, bei jeder Erschütterung so sehr gerüttelt wird, daß man einen Hüllenbruch befürchten muß. Die ausgiebig verwendeten technischen Terminologien sind zwar phantasievoll, aber so unverständlich, daß einem kaum geholfen ist.
Aus der StarTrek-Welt mitnehmen kann man eines: den Gedanken, daß niemand schlechter ist, nur weil er anders denkt, anders aussieht oder einer anderen Kultur entstammt, aber auch die Frage, welche Werte für den Menschen erstrebenswert sind, und ob wir uns tatsächlich auf dem richtigen Weg befinden, oder doch nur dabei sind, Ferengi zu werden. Auch gesellschaftliche Utopien sind ein Aspekt von Science Fiction, insbesondere von StarTrek. Daneben gibt es die technischen Vorstellungen. Natürlich weiß jeder, daß beamen nicht möglich ist, und daß Menschen nicht mit Worpantrieb durch das Universum reisen. Noch nicht. Denn wer weiß, villeicht sind manche Dinge, die wir heute noch nicht wissen, in ein paar hundert Jahren längst Allgemeingut. Ernstgemeinte Science Fiction ist immer auch ein Hinweis darauf, was alles möglich sein könnte. Phantasie ist stets eine der Triebkräfte des Fortschritts gewesen. Fortschritt im Sinne der StarTrek-Welt bedeutet dann auch keine Schwarzmalerei, sondern basiert auf der Überzeugung, daß der Mensch, greift er auf alle seine Fähigkeiten zurück, Probleme auf bestmögliche Weise zu lösen vermag. Nutzt der Mensch seine gegebene Intelligenz und vergißt dabei nicht die Grundgesetze der Menschlichkeit, dann sind Wege in eine positive Zukunft möglich,- darin liegt die Botschaft von StarTrek, und wahrscheinlich auch der Erfolg, der die Serie seit nunmehr 30 Jahren am Leben erhält, immer unterwegs, um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen.

Ute Izykowski
Die Glocke, 3/96; 4/96

 

 
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