Zeitschriftenartikel

 

Mythos Star Trek; 3/96; 4/96
Amnesty International; 7/96
Tatoos; 10/96
Piercing; 2/97
Anthroposophie; 3/97
Sanfter Tourismus; 7/97
Loveparade; 8/97
Beatles; 8/97, 9/97
Documenta X; 9/97
Krieg im Kinderzimmer; 2/98


LOVEPARADE
One World - One Futur
Am 11. Juli ist es wieder so weit: das größte Technospektakel des Jahres läd zum Tanz, Partyzeit, ein Ereignis der Superlative. Die Love Parade ist zur Institution geworden.

Dabei begann alles ganz klein. Es ist gerade einmal acht Jahre her, da tanzten 150 junge Leute um einen Wagen herum gutgelaunt über den Berliner Ku´damm. Das Motto lautete damals Friede (für Abrüstung), Freude (für bessere Völkerverständigung durch Musik), Eierkuchen (für gerechte Verteilung von Nahrungsmitteln). Der Berliner DJ Dr.Motte, mit bürgerlichem Namen Matthias Roeingh, ist der Initiator der Love Parade. Damals meinte er:
”Die Love Parade soll zeigen, wie das Zusammenleben der Menschen sein könnte: Tolerant, respektvoll, liebevoll, ethisch und friedliebend. Letztendlich sind das Ideale, die essentiell in jedem Menschen vorhanden sind und die jeder von anderen erwartet.”
Die Öffentlichkeit bedachte diese Veranstaltung höchstens mit einem müden Lächeln und ungläubigem Kopfschütteln. Doch im folgenden Jahr waren es schon sechs Wagen und 2000 Leute, die nach “The future ist ours” in Berlin feierten. Unter dem Motto “my house is your house and your house is mine” kamen Love -Trucks aus Köln und Frankfurt dazu und über 6000 Partygäste aus ganz Deutschland. Auch in den folgenden Jahren wuchs die Teilnehmerzahl beständig. 1995 schätzte man ihre Zahl zwischen 250000 und 500000, noch mehr im letzten Jahr, und 1997 erwarteten die Veranstalter eine Million Besucher. “Wenn man davon ausgeht, daß sich die Teilnehmerzahl jedes Jahr verdoppelt, dann haben wir im Jahr 2010 die gesamte Weltbevölkerung auf einer Love Parade”, so die Prognose von Mitorganisator Jürgen Laarmann. Gleichzeitig finden überall in Berlin und Umgebung zahlreiche Technoparties statt. Love Parade, - eine Mischung aus Happening der 70gerJahre und Friedensdemo der 80ger, aber lauter und unbekümmerter. Großereignis der House und Technoszene, aber auch Ausdruck der Jugendkultur von heute. Tatsächlich wird die Love Parade jedes Jahr offiziell als Demonstration angemeldet. Das hat auch finanzielle Gründe, denn ansonsten müßten die Veranstalter selber für Straßennutzung, dem heftig diskutieren Problem der Müllbeseitigung und dergleichen bezahlen. Damit wäre die Love Parade nicht finanzierbar, obwohl inzwischen nahmhafte Firmen und Organisationen als Sponsoren auftreten. Weil so viele Leute kommen ist die Love Parade inzwischen eben auch als Wirtschaftfaktor interassant. Die Love Parade erhebt aber den Anspruch, nicht bloß Straßen- und Tanzfest, sondern politische Kundgebung zu sein.Es gibt sogar eine Abschlußkundgebung. Doch die Technoszene von heute unterscheidet sich von den Jugendbewegungen der vergangenen Jahrzehnte: kein Protest gegen Staat, Atomkraft, Aufrüstung und für eine bessere Zukunft.Warum gegen Dinge kämpfen, die man ohnehin nicht ändern kann. Stattdessen Party bis zur Erschöpfung. Techno ist mehr als Musik, Techno ist Lebensgefühl, Tanzen die Möglichkeit dem Alltag zu entfliehen. Techno ist Maschinenmusik, laut, mindestens 130 Beats pro Minute. Techno als Rauschmittel. Tanz bis zum Umfallen. Wer nicht mehr kann, hilft mit Ecstasy nach. Die Love Parade ist heute als Technogroßereignis nicht mehr wegzudenken. Die Botschaft dieser Demonstration ist zeitgemäß und damit sicher auch politisch. Oder wie es Dr. Motte anläßlich der Love Parade 1996 ausdrückte: “Die Situation der heutigen, globalen Familie stellt sich durch Uneinigkeit, Konkurrenz, Gleichgültigkeit, Resignation, dem Beharren auf Nationalität und der Unterdrückung des Andersartigen dar. Wir kämpfen nicht gegen etwas, wir leben unser Ideal und wissen, daß wir eine Familie sind, daß Menschen, die Gefühle haben, auf diesem Planeten leben, Liebe geben, träumen und Träume verwirklichen.”

Ute Izykowski
Die Glocke, 8/97

 

 
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