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LOVEPARADE
One World - One Futur
Am 11. Juli ist es wieder so weit: das größte
Technospektakel des Jahres läd zum Tanz, Partyzeit, ein Ereignis
der Superlative. Die Love Parade ist zur Institution geworden.
Dabei begann alles ganz klein. Es ist gerade einmal acht Jahre
her, da tanzten 150 junge Leute um einen Wagen herum gutgelaunt über
den Berliner Ku´damm. Das Motto lautete damals Friede (für
Abrüstung), Freude (für bessere Völkerverständigung
durch Musik), Eierkuchen (für gerechte Verteilung von Nahrungsmitteln).
Der Berliner DJ Dr.Motte, mit bürgerlichem Namen Matthias Roeingh,
ist der Initiator der Love Parade. Damals meinte er:
”Die Love Parade soll zeigen, wie das Zusammenleben der Menschen
sein könnte: Tolerant, respektvoll, liebevoll, ethisch und friedliebend.
Letztendlich sind das Ideale, die essentiell in jedem Menschen vorhanden
sind und die jeder von anderen erwartet.”
Die Öffentlichkeit bedachte diese Veranstaltung höchstens mit
einem müden Lächeln und ungläubigem Kopfschütteln.
Doch im folgenden Jahr waren es schon sechs Wagen und 2000 Leute, die
nach “The future ist ours” in Berlin feierten. Unter dem
Motto “my house is your house and your house is mine” kamen
Love -Trucks aus Köln und Frankfurt dazu und über 6000 Partygäste
aus ganz Deutschland. Auch in den folgenden Jahren wuchs die Teilnehmerzahl
beständig. 1995 schätzte man ihre Zahl zwischen 250000 und
500000, noch mehr im letzten Jahr, und 1997 erwarteten die Veranstalter
eine Million Besucher. “Wenn man davon ausgeht, daß sich
die Teilnehmerzahl jedes Jahr verdoppelt, dann haben wir im Jahr 2010
die gesamte Weltbevölkerung auf einer Love Parade”, so die
Prognose von Mitorganisator Jürgen Laarmann. Gleichzeitig finden
überall in Berlin und Umgebung zahlreiche Technoparties statt. Love
Parade, - eine Mischung aus Happening der 70gerJahre und Friedensdemo
der 80ger, aber lauter und unbekümmerter. Großereignis der
House und Technoszene, aber auch Ausdruck der Jugendkultur von heute.
Tatsächlich wird die Love Parade jedes Jahr offiziell als Demonstration
angemeldet. Das hat auch finanzielle Gründe, denn ansonsten müßten
die Veranstalter selber für Straßennutzung, dem heftig diskutieren
Problem der Müllbeseitigung und dergleichen bezahlen. Damit wäre
die Love Parade nicht finanzierbar, obwohl inzwischen nahmhafte Firmen
und Organisationen als Sponsoren auftreten. Weil so viele Leute kommen
ist die Love Parade inzwischen eben auch als Wirtschaftfaktor interassant.
Die Love Parade erhebt aber den Anspruch, nicht bloß Straßen-
und Tanzfest, sondern politische Kundgebung zu sein.Es gibt sogar eine
Abschlußkundgebung. Doch die Technoszene von heute unterscheidet
sich von den Jugendbewegungen der vergangenen Jahrzehnte: kein Protest
gegen Staat, Atomkraft, Aufrüstung und für eine bessere Zukunft.Warum
gegen Dinge kämpfen, die man ohnehin nicht ändern kann. Stattdessen
Party bis zur Erschöpfung. Techno ist mehr als Musik, Techno ist
Lebensgefühl, Tanzen die Möglichkeit dem Alltag zu entfliehen.
Techno ist Maschinenmusik, laut, mindestens 130 Beats pro Minute. Techno
als Rauschmittel. Tanz bis zum Umfallen. Wer nicht mehr kann, hilft mit
Ecstasy nach. Die Love Parade ist heute als Technogroßereignis
nicht mehr wegzudenken. Die Botschaft dieser Demonstration ist zeitgemäß
und damit sicher auch politisch. Oder wie es Dr. Motte anläßlich
der Love Parade 1996 ausdrückte: “Die Situation der heutigen,
globalen Familie stellt sich durch Uneinigkeit, Konkurrenz, Gleichgültigkeit,
Resignation, dem Beharren auf Nationalität und der Unterdrückung
des Andersartigen dar. Wir kämpfen nicht gegen etwas, wir leben
unser Ideal und wissen, daß wir eine Familie sind, daß Menschen,
die Gefühle haben, auf diesem Planeten leben, Liebe geben, träumen
und Träume verwirklichen.”
Ute Izykowski
Die Glocke, 8/97 |
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