Zeitschriftenartikel

 

Mythos Star Trek; 3/96; 4/96
Amnesty International; 7/96
Tatoos; 10/96
Piercing; 2/97
Anthroposophie; 3/97
Sanfter Tourismus; 7/97
Loveparade; 8/97
Beatles; 8/97, 9/97
Documenta X; 9/97
Krieg im Kinderzimmer; 2/98


Teil 1: YEAH YEAH YEAH..........
Laute Musik und lange Haare. Ausverkaufte Hallen überall auf der Welt. Massenhysterie. Kreischende Mädchen und Ohnmachtanfälle. Verzückte Teenies lieben sie. Massenandrang wo immer sie auftauchen. It´s Beatlemania.

Klingt fast wie die Erfolgstory einer modernen Boygroup, und doch war es viel mehr: Eine Sternstunde in der Musikgeschichte unseres Jahrhunderts. Sie trafen den Zeitgeist der 60ger mitten ins Herz und die Welt lag ihnen zu Füßen.Sie beeinflußten eine ganze Generation und die Welt war nach den Beatles anders als zuvor. Der Weg bis zum Gipfel war freilich hart, und es hätte wohl kaum jemand vermutet, daß es die vier Jungs aus bescheidenen Liverpooler Verhältnissen bis ganz nach oben schaffen würden. John Lennon, oft als Kopf der Beatles bezeichnet, kommt am 9.Oktober 1940 in Liverpool zur Welt, als gerade deutsche Bomben auf die Stadt fallen. Seine Eltern lassen sich 1943 scheiden und er wächst fortan bei seiner Tante Mimi auf. Mit 15 beginnt er sich für Musik zu interessieren, Rock´n Roll, Bill Haley und Elvis Presley. Seine Mutter schenkt ihm die erste Gitarre. Bald gründet er seine erste Band, die “Quarrymen”, alles hinter dem Rücken von Tante Mimi, die damit nie einverstanden wäre. Johns schulische Leistungen verschlechtern sich so sehr, daß er 1957 auf Anraten des Direktors die Quarry Bank High School verläßt und eine Kunstschule besucht. Aber in Wirklichkeit ist für ihn die Musik am wichtigsten.Das verbindet ihn mit Paul Mc Cartney, den er 1956 auf einem Kirchenfest in Liverpool kennenlernt. Auch Paul interessiert sich nur noch für Rock´n Roll, an eine bürgerliche Karriere ist nicht mehr zu denken, obwohl er eigentlich ein guter Schüler ist. Paul steigt bei den Querrymen ein. Damit sind die Fundamente für die Geschichte der Beatles gelegt. Das Team Lennon/ Mc Cartney schreibt später die allermeisten der Songs. 1958 kommt auf Pauls Wunsch George Harrison dazu, gegen den Widerstand John Lennons, der aus seiner Band keinen Kindergarten machen will. George ist damals schließlich erst 14. Aus den Quarrymen werden “Jonny and the moondogs” und 1960 die “Silver Beatles”. Sie haben bescheidene Auftritte in Liverpooler Clubs, doch wahrscheinlich hätte damals kein Hahn nach den vier Jungs gekräht, wenn sie in England geblieben wären. Durch Vermittlung von Allan Williams, in dessen Liverpooler Club Jacaranda sie auftreten, kommen sie 1960 zu einem Vertrag mit Bruno Koschmidder, Besitzer des Kaiserkellers auf der Hamburger Reeperbahn. Also reisen die Beatles, bestehend aus John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Stuart Sutcliff, den John von der Kunstschule her kennt, und Pete Best als Schlagzeuger nach Deutschland. Untergebracht unter miesen Verhältnissen über einem Kino, spielen sie erst im Indra, einem ehemaligen Stripteaselokal, dann im Kaiserkeller. Ihr Repertoire ist bunt zusammenge würfelt: Skifflestücke, Folksongs, Lieder aus der englischen oder amerikanischen Hitparade. In diesen Tagen entsteht auch der Musikstil der Beatles. Sie wechsel sich mit Singen ab oder singen gleichzeitig, stampfen den Rhythmus mit den Füßen. Auch die legendäre Frisur entsteht während der Zeit auf der Reeperbahn. Im Kaiserkeller lernen sie Astrid Kirchherr kennen, die zunächst Stu Sutcliff den Pilzkopf verpaßt, weil ihr die Elvis-Tolle, die er trägt, nicht gefällt. Der erste Hamburgaufenthalt endet, weil George Harrison ausgewiesen wird: er ist damals noch keine 18. Zurück in Liverpool können sie ersten bescheidenen Ruhm ernten. Sie spielen in der Litherland Town Hall, und in ihrer Heimatstadt bricht das Beatlesfieber aus. Doch sie kehren nach Hamburg zurück, treten diesmal im Top Ten auf. Im Frühsommer 1961 wird in Deutschland “My Bonnie” veröffentlicht. Auf dieser Platte spielen die Beatles als Begleitband für Toni Sheridan. Einer will sich am Ruhm der frühen Tage nicht beteiligen: Stu Sutcliff bleibt in Deutschland. Er hat sich in Astrid Kirchherr verliebt, außerdem kann er, seit jeher lieber Maler als Musiker, in Hamburg Kunst studieren. Den Bass, den Stu gespielt hatte, übernimmt fortan Paul, der das Instrument nicht etwa falsch herum hält, sondern ganz einfach Linkshänder ist. Ende des Jahres 1961 spielen die Beatles im Cavern Club in Liverpool. Dort sieht sie der Plattenhändler Brian Epstein, der sie fortan managt. 1962 spielen sie erneut in Hamburg, diesmal zu besseren Bedingungen im gerade eröffneten Star-Club. 500 DM bekommt jeder, eine Traumgage für die damaligen Zeiten. Einzig getrübt ist der beginnende Erfolg durch die Nachricht, daß Stu Sutcliff an einem Gehirntumor gestorben war. Die Beatles stehen nächtelang auf der Bühne im Star-Club, schlucken Aufputschmittel um durchzuhalten. Die Strapaze macht sich bezahlt: sie erhalten einen Plattenvertrag bei George Martin, einem Produzenten der Londoner Plattenfirma EMI. Bedingung ist, daß Pete Best, der Schlagzeuger, durch einen besseren Mann ersetzt wird. Die Beatles engagieren Ringo Starr und veröffentlichen im Herbst 1962 mit “Love me do” ihre erste Single, die gleich in der englischen Hitparade auftaucht. Ihren Erfolg verdanken sie einzig der Begeisterung ihrer Fans, nicht dem Einfluß großer Plattenfirmen. Und sie sind erfolgreich. Einen Höhenflug wie den der Beatles hatte die Welt noch nicht gesehen. Ihre zweite Single “Please Please me” landet auf Platz 2 der Hitparade. Mit “She loves you”, das über eine Million mal in England verkauft wird, erhalten die Beatles ihre erste Goldene Schallplatte. In England bricht entgültig das Beatlesfieber aus. 15 Millionen sehen die Beatles in der Fernsehshow “Sunday Night at the Palladium Theatre”. Tausende Fans warten vor der Halle, es kommt zum Verkehrschaos. Sie sind ungezwungen und frech, so wie ihre Musik. John Lennon anläßlich der jährlichen Royal Variety Performance vor Mitgliedern des englischen Königshauses: ”Beim nächsten Lied möchte ich, daß alle mitmachen. Die auf den billigen Plätzen können mit ihren Händen klatschen. Die anderen können mit ihren Juwelen rasseln.” Man sieht es ihnen nach, schließlich sind sie Großbritanniens erfolgreichster Exportartikel. 1964 drehen sie mit “A hard Day´s Night” ihren ersten Film, ein Low-Budget-Streifen, der fast dokumentarisch einen Tourneetag der Beatles zeigt und schon nach kurzer Zeit alle Erwartungen übertrifft. Überall auf der Welt das gleiche Bild, wo immer die “Fab Four” auftreten: jubelnde Massen, begeisterte Fans, Chaos. Die Polizei hat alle Hände voll zu tun. Britische Abgeordnete halten es für unzumutbar, daß tausende von Polizisten während Beatlestourneen Überstunden machen müssen und durch die Fans und den Lärm gefärdet würden. Mit “I want to hold your hand” landen die Beatles ihren ersten Nummer 1 Hit in Deutschland. Und überall werden Rekorde gebrochen, nie dagewesene Verkaufszahlen erreicht. In England veröffentlichen die Beatles 25 Singles, bis auf eine kommen alle unter die ersten 30 der Hitparade, 17 schaffen Platz eins. Die LP “Please Please me “ steht 29 Wochen auf Platz eins. In Amerika belegen die Beatles im April 1964 gleich die ersten fünf Plätze der Billboardcharts.Alleine in Amerika werden ihnen 43 Goldene Schallplatten verliehen. Genaue Verkaufszahlen liegen nicht vor, doch Schätzungen belaufen sich auf 250 Millionen Singles und 100 Millionen LP`s. Sie bekommen sogar von Königin Elisabeth II den Orden Member of the British Empire überreicht. John schickt seinen später zurück, aus Protest darüber, daß sich Großbritannien nicht entschiedener gegen den Vietnamkrieg einsetzt. Von den Beatles stammt auch der Song, der am häufigsten von anderen Musikern interpretiert wurde: Yesterday gibt es in ungefähr 1200 Versionen. Paul McCartney kommt 1979 sogar ins Guinness Buch der Rekorde: als erfolgreichster Komponist aller Zeiten.

Ute Izykowski
Die Glocke 8/97

Teil 2: LET IT BE.......
Höhenflüge und schließlich das Ende.Die Beatles und ihre Fans werden erwachsen. Dem Ruhm der Fab Four tut es keinen Abbruch. Bis heute nicht.
Die Beatles treffen den Geschmack der Jugend von damals, die nicht mehr nur das tun wollte, was die Erwachsenen sagen. Die kein Leben in vorprogrammierten Bahnen führen wollen: Schule, Beruf, Heirat, Kinder und dann nichts mehr. Die Beatles machen Musik, die jeder versteht, sie drücken aus, was die Jugend fühlt. Und sie kommen zu einer Zeit, in der das befreiende Rock´n Roll Feeling schon wieder vorbei ist. Elvis singt “Muß i denn zum Städtele hinaus”, doch die Jugend will mehr: Leidenschaft statt Sicherheit, Befreiung statt Disziplin. Die Beatles singen von Liebe, ohne schnulzig zu sein. ”Negermusik” für die Eltern. Die Jugend läßt sich mitreißen, mit den Beatles kann man sich identifizieren. Sie sind nicht angepaßt, mucken auf. Ihre Musik ist lebendig und unbefangen. Sie tragen lange Haare. Tatsächlich, - damals gilt die Frisur der Beatles als ungehörig.Und wer Jeans trägt, wird als Halbstarker abgestempelt. Undenkbar heute, und die Beatles tragen ihren Teil zur Befreiung der Jugend bei. Doch der Erfolg hat auch seine Kehrseite: Die Beatleshysterie wird unerträglich. Auf der Bühne übertönen die kreischenden und singenden Fans sogar die Musik. Damals waren die Verstärker eben noch nicht so stark wie heute. Schließlich wollen die Beatles nicht mehr auftreten. Am 29.August 1966 geben sie in San Francisco ihr letztes Konzert. Kardinal Cushing, Erzbischof von Boston, erklärt damals, daß die Beatles in der gesamten Welt bekannter seien als Jesus.
Der Herbst 1966 bedeutet einen Umbruch in der Laufbahn der Beatles. Nach den anstrengenden Tourneejahren geht erst einmal jeder seine eigenen Wege. Erste Trennungsgerüchte verbreiten sich. In dieser Zeit lernt John auch Yoko Ono in London kennen. Im Dezember 1966 nehmen die Beatles die Single “Strawberry Fields “ auf. Sie wollen nicht mehr auftreten, nicht einmal im Fernsehen. Also drehen sie einen kurzen Film, surrealistisch und originell, ein früher Videoclip, ohne den heute kein Musiker mehr auskommt. Mit der LP “Sergeant Peppers Hearts Club Band” schaffen die Beatles 1967 ihr musikalisches Meisterwerk, zumindestens behaupten das Kritiker und Fans hinterher. Deutlich wird zumindest, daß es jetzt darum geht, die Musik im Studio auszufeilen, ganz im Gegensatz zur Spontaneität der Tourneezeit. Mit Sergeant Peppers entsteht ein Konzeptalbum mit zusammenhängender Geschichte, bei dem schon die Covergestaltung Aufsehen erregt. Die Themen liefern einen Spiegel der Zeit: Drogen, Generationskonflikte, Psychedelisches. In diese Zeit fällt auch das Interesse, daß die Beatles zumindest kurzfristig für indische Religion hatten. George Harrison bringt seine Freunde auf diesen Gedanken. Sie fahren sogar mit ihren Frauen oder Freundinnen nach Indien, um bei Guru Maharishi zu meditieren, kommen aber schon bald enttäuscht zurück. Ringo meint damals, ihm habe das Essen nicht geschmeckt. Doch noch mehr hat sich verändert: die Beatles haben eine Generation geprägt, eine Generation, die nun ihre Rechte einfordert: Studenten diskutieren und gehen auf die Straße. Auch an den Beatles geht die Hippiezeit nicht spurlos vorrüber: sie lassen Haare und Bärte wachsen, und besonders John Lennon engagiert sich mit Yoko Ono für den Frieden. Und noch ein Schicksalsschlag trift die Beatles: ihr Manager Brian Epstein begeht Selbstmord. Weil seine Schützlinge ihn immer weniger gebraucht hatten heißt es. Er habe sich überflüssig gefühlt. Tatsächlich sind die Zeiten der Gemeinsamkeit vorüber. Jeder bastelt an eigenen Projekten, der Film “Magical Mystery Tours” ist letztlich Pauls Arbeit. Die LP “Abbey Road” ist die letzte Platte, an der wirklich noch einmal alle an einem Strang ziehen. Ihren letzten gemeinsamen Auftritt haben sie dann am 30.1.1969. Auf dem Dach ihres Londoner Bürohauses spielen sie einige Songs für den Film “Let it be”. Nachbarn beschweren sich über den Lärm und die Polizei beendet das Konzert. Am 10. April 1970 schließlich platzt die Bombe: in einem Interview erklärt Paul McCartney, daß er die Beatles verlassen habe. Trennungsgerüchte gab es immer gegeben und tatsächlich haben auch die anderen innerlich bereits mit den Beatles abgeschlossen. Die Differenzen sind inzwischen zu groß und angeblich soll auch mitgespielt haben, daß Yoko Ono bei Johns Bandkollegen nicht besonders beliebt gewesen ist. Das Kapitel Beatles ist endgültig abgeschlossen und jeder geht seiner Wege. Paul McCartney hat mit seiner Gruppe Wings weiterhin riesigen Erfolg, seine Solokarriere ist bis heute ungebrochen.John Lennon geht nach Amerika, macht weiter Musik mit Yoko Ono und der Plastic Ono Band Sie organisieren Happenings und Aktionen gegen Gewalt und für den Frieden. Am wichtigsten aber ist ihm sein Privatleben mit Yoko Ono und Sohn Sean, der am 9. 10.1975 geboren wird. Auch George und Ringo bleiben im Musikgeschäft, drehen oder produzieren Filme. Die Hoffnung auf ein Comeback der Fab Four wird mit einem Schlag zunichte gemacht: Am 8.12 1980 fällt John Lennon gegen 23 Uhr vor dem Dakota-Haus in New York einem Attentat zum Opfer. Der Krankenpfleger Mark Chapman feuert mehrere Schüsse auf ihn ab, schon die erste Kugel ist tödlich.Die Hintergründe der Tat werden wahrscheinlich nie ganz geklärt werden. Noch in der gleichen Nacht versammeln sich Tausende am Tatort, halten Totenwache und singen “Imagine”, John Lennons Vision einer friedlichen Welt.
Die Fans hören dennoch nie auf, an die Wiedergeburt der Beatles zu glauben: soll doch einfach Johns Sohn Julian aus erster Ehe an dessen Stelle einspringen. Die drei Altbeatles halten wenig von diesen Ideen. Und doch, sie können es nicht lassen: Vor gar nicht allzu langer Zeit haben sie drei Doppel-CDs mit rund 120 Songs herausgebracht: “The Beatles Anthologie”, inclusice einer bisher unbekannten John Lennon Single “Free as a bird”. In den 60ger Jahren waren die Beatles ein Phänomen. Ihr Ruhm ist ungebrochen, - bis heute.

Ute Izykowski
Die Glocke,9/97

 

 
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