amnesty international -
ein Appell an die Menschlichkeit
Seit über 30 Jahren setzt sich amnesty international (ai) für
die weltweite Durchsetzung der Menschenrechte ein. Die Organisation
ging ursprünglich aus einer Initiative des englischen Anwalts Peter
Benenson hervor, der 1961 gemeinsam mit anderen die Aktion „Appeal
for Amnesty“ ins Leben rief, gedacht als einjährige Kampagne,
mit dem Ziel, sich für die Rechte von politischen Gefangenen stark
zu machen.
Dahinter steckte die grundsätzliche Überzeugung, daß
jeder Mensch einen Anspruch auf Gedanken-, Gewissens-, und Religionsfreiheit
hat, sowie das Recht auf freie Meinungs- äußerung, also Grundrechte,
die in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte “
der Vereinten Nationen verankert sind.
Das Konzept war damals so einleuchtend wie heute: Durch Information
sollte die öffentliche Meinung mobilisiert werden, um so durch
den Druck der Allgemeinheit für die Freilassung politischer Gefangener,
oder wenigstens für faire Prozesse zu sorgen.
Die Kampagne „Appeal for Amnesty“ erfuhr tatsächlich
die gewünschte Resonanz. Ursprünglich ins Leben gerufen, um
die Bevölkerung wachzurütteln und zur Hilfe politischer Gefangener
aufzurufen, bildeten sich erst in England, dann auch in anderen Ländern
zahlreiche Gruppen, nationale Zweigorganisationen (Sektionen), die sich
die Durchsetzung der Menschenrechte auf die Fahnen geschrieben hatten.
Von Anfang an liefen im Büro in London, das als Informationssammelstelle
über die Schicksale politisch Gefangener diente, die Fäden
zusammen. Da die zuerst zeitlich begrenzte Bewegung schließlich
als dauernden Einrichtung zur Hilfe politischer Gefangener weiterleben
sollte, wurde es nötig, aus Sympathisanten, Helfern und Mitarbeitern
zahlende Mitglieder zu machen.So fiel dann auch 1962 anläßlich
des 2. internationalen Treffens aller Nationalen Sektio- nen in Chateau
de Male bei Brügge der Entschluß, der Organisation den Namen
„amnesty international“ zu geben.
„International“ charakterisiert das weltweite Tätigkeitsfeld
der Organisation, die ihr anfäng- liches Aufgabengebiet der Hilfe
für politische Gefangene, sogenannte “Gewissensgefangene“
bald erweiterte, und sich gegen Folter, Todesstrafe, politische Morde
und für faire Gerichts- verhandlungen einsetzte, bis hin zur Asylproblematik,
die ja auch in Deutschland immer wieder in den Mittelpunkt des Interesses
rückt.
Mittlerweile gibt es weit über eine Million Mitglieder und Förderer
in mehr als 170 Staaten. Anfang 1995 waren im Internationalen Sekre-
tariat der Organisation in London 4329 Gruppen in 89 Ländern registriert.
Diese lokalen Gruppen werden auf nationaler Ebene von Sektionen, die
es in 55 Ländern gibt, koordiniert.
amnesty international ist zu einer weltumspannenden Bewegung mit Mitglieder
aus den verschiedensten Schichten und Kulturen gewor- den. Allen gemein
ist das Bewußtsein, daß grundlegende Menschenrechte unabhängig
von Nationalität, Religion, Hautfarbe und Geschlecht Gültigkeit
haben.
amnesty international ist unparteiisch und konfessionslos. Dieser Grundsatz
ist vor allem dann wichtig, wenn es um die Finanzierung der Organisation
geht, die ausschließlich über Mitglieder und Spenden, sowie
über Publikationen geregelt wird.
Regierungsgelder werden schon deshalb nicht angenommen, weil Unabhängigkeit
gewahrt werden muß, denn oft genug sind Regierungen oder Machthaber
selbst für Menschenrechts- verletzungen verantwortlich, oder machen
sich zumindest der stummen Duldung schuldig.
Vielfältige Aktionen und Kampagnen sorgen dafür, daß
die Schicksale der Opfer nicht unbeachtet bleiben. Mißstände
werden angeprangert, damit bei den zuständigen Regierungen Handlungsbedarf
entsteht. Die Verantwortlichen sollen zur Rechenschaft gezogen werden,
um zu signalisieren, daß die Täter nicht unter Miß-
achtung des Rechts ungestraft agieren können, und Rechtsverletzungen
auf die Dauer zur Regel werden. amnesty international appelliert zudem
an Regierungen, sich allgemeinen Menschen- rechtsabkommen anzuschließen.
Nun sind Menschenrechtsverletzungen nicht, wie man vielleicht meinen
könnte, eine Angelegenheit weitentfernter Diktaturen.
In den letzten Jahren berichtete amnesty international über verschiedene
Fälle, in denen deutsche Polizeibeamte Gewalt gegen Menschen angewandt,
oder in ihrem Gewahrsam befindliche Personen vorsätzlich grausam
und erniedrigend behandelt haben sollen. In den meisten Fällen
handelte es sich bei den Opfern um ausländische Staatsbürger,
Asylbewerber oder Flüchtlinge, so daß es laut amnesty international
den Anschein hat, derartige Übergriffe seien rassistisch motiviert.
amnesty international veröffentlichte Berichte über die verschiedenen
Mißhandlungs- vorwürfe und wandte sich an die zuständigen
Behörden mit der Bitte um Stellungnahme. Darüber hinaus fordert
die Organisation einen Aktionsplan zur Lösung der anstehenden Pro-
bleme, die, so amnesty international, nicht als unrühmliche Einzelfälle
zu bewerten sind.
Eines sollte man sich bei Diskussionen über die Rechte des Menschen
immer vor Augen halten: es ist nicht entscheidend, welche Meinung ein
Mensch vertritt, auch nicht, ob er sich tatsächlich etwas hat zu
schulden kommen lassen. Maßgeb- lich ist nur, daß trotz
allem Grundrechte einge- halten werden, faire Prozesse statt außergesetzliche
Aburteilung, korrekte Beweisführung statt Folter,
Kein Mensch darf auf Grund seiner politischen Überzeugung oder
seiner kulturellen und religiösen Herkunft wegen verurteilt werden.
Ein Appell an die Menschlichkeit, der uns alle betrifft, - dafür
steht amnesty international.
Ute Izykowski
Die Glocke, 7/96
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