Zeitschriftenartikel

 

Mythos Star Trek; 3/96; 4/96
Amnesty International; 7/96
Tatoos; 10/96
Piercing; 2/97
Anthroposophie; 3/97
Sanfter Tourismus; 7/97
Loveparade; 8/97
Beatles; 8/97, 9/97
Documenta X; 9/97
Krieg im Kinderzimmer; 2/98


amnesty international -
ein Appell an die Menschlichkeit

Seit über 30 Jahren setzt sich amnesty international (ai) für die weltweite Durchsetzung der Menschenrechte ein. Die Organisation ging ursprünglich aus einer Initiative des englischen Anwalts Peter Benenson hervor, der 1961 gemeinsam mit anderen die Aktion „Appeal for Amnesty“ ins Leben rief, gedacht als einjährige Kampagne, mit dem Ziel, sich für die Rechte von politischen Gefangenen stark zu machen.
Dahinter steckte die grundsätzliche Überzeugung, daß jeder Mensch einen Anspruch auf Gedanken-, Gewissens-, und Religionsfreiheit hat, sowie das Recht auf freie Meinungs- äußerung, also Grundrechte, die in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte “ der Vereinten Nationen verankert sind.
Das Konzept war damals so einleuchtend wie heute: Durch Information sollte die öffentliche Meinung mobilisiert werden, um so durch den Druck der Allgemeinheit für die Freilassung politischer Gefangener, oder wenigstens für faire Prozesse zu sorgen.
Die Kampagne „Appeal for Amnesty“ erfuhr tatsächlich die gewünschte Resonanz. Ursprünglich ins Leben gerufen, um die Bevölkerung wachzurütteln und zur Hilfe politischer Gefangener aufzurufen, bildeten sich erst in England, dann auch in anderen Ländern zahlreiche Gruppen, nationale Zweigorganisationen (Sektionen), die sich die Durchsetzung der Menschenrechte auf die Fahnen geschrieben hatten. Von Anfang an liefen im Büro in London, das als Informationssammelstelle über die Schicksale politisch Gefangener diente, die Fäden zusammen. Da die zuerst zeitlich begrenzte Bewegung schließlich als dauernden Einrichtung zur Hilfe politischer Gefangener weiterleben sollte, wurde es nötig, aus Sympathisanten, Helfern und Mitarbeitern zahlende Mitglieder zu machen.So fiel dann auch 1962 anläßlich des 2. internationalen Treffens aller Nationalen Sektio- nen in Chateau de Male bei Brügge der Entschluß, der Organisation den Namen „amnesty international“ zu geben.

„International“ charakterisiert das weltweite Tätigkeitsfeld der Organisation, die ihr anfäng- liches Aufgabengebiet der Hilfe für politische Gefangene, sogenannte “Gewissensgefangene“ bald erweiterte, und sich gegen Folter, Todesstrafe, politische Morde und für faire Gerichts- verhandlungen einsetzte, bis hin zur Asylproblematik, die ja auch in Deutschland immer wieder in den Mittelpunkt des Interesses rückt.
Mittlerweile gibt es weit über eine Million Mitglieder und Förderer in mehr als 170 Staaten. Anfang 1995 waren im Internationalen Sekre- tariat der Organisation in London 4329 Gruppen in 89 Ländern registriert. Diese lokalen Gruppen werden auf nationaler Ebene von Sektionen, die es in 55 Ländern gibt, koordiniert.
amnesty international ist zu einer weltumspannenden Bewegung mit Mitglieder aus den verschiedensten Schichten und Kulturen gewor- den. Allen gemein ist das Bewußtsein, daß grundlegende Menschenrechte unabhängig von Nationalität, Religion, Hautfarbe und Geschlecht Gültigkeit haben.
amnesty international ist unparteiisch und konfessionslos. Dieser Grundsatz ist vor allem dann wichtig, wenn es um die Finanzierung der Organisation geht, die ausschließlich über Mitglieder und Spenden, sowie über Publikationen geregelt wird.
Regierungsgelder werden schon deshalb nicht angenommen, weil Unabhängigkeit gewahrt werden muß, denn oft genug sind Regierungen oder Machthaber selbst für Menschenrechts- verletzungen verantwortlich, oder machen sich zumindest der stummen Duldung schuldig.
Vielfältige Aktionen und Kampagnen sorgen dafür, daß die Schicksale der Opfer nicht unbeachtet bleiben. Mißstände werden angeprangert, damit bei den zuständigen Regierungen Handlungsbedarf entsteht. Die Verantwortlichen sollen zur Rechenschaft gezogen werden, um zu signalisieren, daß die Täter nicht unter Miß- achtung des Rechts ungestraft agieren können, und Rechtsverletzungen auf die Dauer zur Regel werden. amnesty international appelliert zudem an Regierungen, sich allgemeinen Menschen- rechtsabkommen anzuschließen.
Nun sind Menschenrechtsverletzungen nicht, wie man vielleicht meinen könnte, eine Angelegenheit weitentfernter Diktaturen.
In den letzten Jahren berichtete amnesty international über verschiedene Fälle, in denen deutsche Polizeibeamte Gewalt gegen Menschen angewandt, oder in ihrem Gewahrsam befindliche Personen vorsätzlich grausam und erniedrigend behandelt haben sollen. In den meisten Fällen handelte es sich bei den Opfern um ausländische Staatsbürger, Asylbewerber oder Flüchtlinge, so daß es laut amnesty international den Anschein hat, derartige Übergriffe seien rassistisch motiviert. amnesty international veröffentlichte Berichte über die verschiedenen Mißhandlungs- vorwürfe und wandte sich an die zuständigen Behörden mit der Bitte um Stellungnahme. Darüber hinaus fordert die Organisation einen Aktionsplan zur Lösung der anstehenden Pro- bleme, die, so amnesty international, nicht als unrühmliche Einzelfälle zu bewerten sind.
Eines sollte man sich bei Diskussionen über die Rechte des Menschen immer vor Augen halten: es ist nicht entscheidend, welche Meinung ein Mensch vertritt, auch nicht, ob er sich tatsächlich etwas hat zu schulden kommen lassen. Maßgeb- lich ist nur, daß trotz allem Grundrechte einge- halten werden, faire Prozesse statt außergesetzliche Aburteilung, korrekte Beweisführung statt Folter,
Kein Mensch darf auf Grund seiner politischen Überzeugung oder seiner kulturellen und religiösen Herkunft wegen verurteilt werden. Ein Appell an die Menschlichkeit, der uns alle betrifft, - dafür steht amnesty international.

Ute Izykowski
Die Glocke, 7/96

 

 
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